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Maurice Papon, Yves Jouffa: zweierlei Maß?

Maurice Papon, 86, wird beschuldigt, zwischen Juli 1942 und Mai 1944 – während dieser Zeit war er Generalsekretär der Präfektur von Gironde (»Regierung« des Départements Bordeaux), – an der Deportation von 1.560 Personen jüdischen Bekenntnisses mitgewirkt zu haben, die bis dahin im Lager Mérignac (bei Bordeaux) interniert waren, dann aber über das Lager Drancy (bei Paris) nach Auschwitz deportiert werden sollten. Er sollte am 8. Oktober 1997 vor dem Schwurgericht von Gironde erscheinen, um sich wegen der Mittäterschaft bei Mord, rechtswidriger Verhaftung und Internierung zu verantworten. Diese Delikte hätten den Charakter von »Verbrechen gegen die Menschheit« besessen, bzw., in aller Klarheit und de facto, dies sind Verbrechen gegen die Juden.

Der Jurist Yves Jouffa, 77, wird in Emmanuel Ratiers Politischer Enzyklopädie Frankreichs in einer langen Anmerkung behandelt.[1] Demnach war Y. Jouffa, 1939 Vorsitzender der Jungen Sozialisten, mehr als ein Jahr in Drancy interniert (vom 20. August 1941 bis zum September 1942).

Er wurde nicht deportiert, sondern von den französischen Behörden entlassen. Er trat der Vereinigung der Israeliten Frankreichs bei (Union générale des Israélites de France, UGIF), wo sein Vater Schatzmeister war, und arbeitete in einer Flugzeugfabrik im Distrikt Belleville von Paris. Es ist Ehrenvorsitzender der Vereinigung ehemaliger Deportierter und Internierter von Drancy. Zwischen 1984 und 1991 war er Präsident der französischen Menschenrechtsliga. Er hat in Strafprozessen gegen revisionistische Autoren ausgesagt und insbesondere gegen mich Strafverfahren angestiftet.

Am 28. Januar 1997 ist in der Sendung »Le Monde de Léa« ein vom Journalisten Paul Amar geführtes Interview mit Maurice Papon ausgestrahlt worden. In einem Satz hat letzterer daran erinnert, daß eine hohe jüdische Persönlichkeit in Drancy am »Sortieren« der Juden für Auschwitz beteiligt war. Diese Bemerkung hat den Zorn von Daniel Schneidermanns entfacht, der als Journalist bei Le Monde arbeitet und beim Fernsehkanal La Cinq für die Sendung »Arrêt sur image« verantwortlich ist.[2]

Zuerst hatte ich angenommen, Herr Papon macht ein Anspielung auf Robert Blum, der in Drancy mit »Obersleutnant Blum, Kommandant des Lagers Drancy« signierte.[3]

Tatsächlich bezog es sich aber auf den Juristen Y. Jouffa. Wußte dieser Mann, daß er seine Glaubensbrüder in ein Lager schickte, das seit Kriegsende in den Medien als ein »Vernichtungslager« bezeichnet wird?

Und wenn er es nicht wußte, wer konnte es dann wissen?

Wurde Y. Jouffa im September 1942 aus Drancy entlassen? Aus welchem Grunde und unter welchen Bedingungen geschah dies?

Arbeitete er danach in der Flugzeugfabrik in Belleville, also für die deutsche Luftwaffe?

Gehörte er und sein Vater zu den unzähligen »Braunen Juden« (ein von M. Rajsfus wiederbelebter Begriff), die mit den Besatzungskräften kollaborierten und den aktiven – sogar finanziellen – Schutz von Marschall Philippe Pétain genossen, und die die große Aushebung der Juden vorbereiteten, die im Pariser Motodrom, dem Vél’ d’Hiv, im Juli 1942 untergebracht waren?

Gehören sie zu jenen selbstamnestierten Juden, die 1944-1945 vor diesen geschmeidigen »innergemeindlichen Tribunalen« erschienen, während viele andere Franzosen, die keine Juden waren, von grausamen Säuberungsaktionen heimgesucht wurden?[4]

 9. August 1997

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[1] Emmanuel Ratier, Encyclopédie de la politique française, Faits & Documents, Paris 1992, Bd. 1, S. 363.
[2] Le Monde vom 2.-3. Februar 1997, S. 39; La Cinq am 2. Februar 1997, 12.30 bis 13.30 Uhr.
[3] Maurice Rajsfus, Drancy…, Manya, Levallois-Perret 1991, S. 234-275; siehe auch meine Artikel Le Milliard des juifs… ou du Maréchal Pétain? in Rivarol vom 7. Februar 1997, S. 6-7.
[4] In der Literatur zu dieser »Reinigung« ist von ca. 10.000 Opfern die Rede, die diese Befreiung bedeute.